Donnerstag, 7. Juli 2011

Der Gipfelsturm

Es war die Krönung, der perfekte Höhepunkt einer bisher schon beeindruckenden Saison, und der letzte Beweis, dass Novak Djokovic dieses Jahr das Maß aller Dinge ist. An welchen Ort könnte eine solcher Matchwechsel besser vollzogen werden, als in Wimbledon, beim bekanntesten Tennisturnier der Welt. Genauso war es auch bei Rafael Nadal, der 2008 nach seinen ersten Titel in London etwa einen Monat später zum ersten Mal den Platz an der Sonne einnahm.

Es stand schon vor dem Finale fest, dass Djokovic neuer Weltranglistenerster werden würde, doch ohne den Sieg im Endspiel hätte dieser Wechsel wohl einen etwas faden Beigeschmack gehabt. Am Ende zähllen, was die Rangliste angeht die nackten Zahlen – aber an was sich die Leute erinnern werden, sind Grand Slam Titel, und „nur“ mit einem Australian Open Titel hätte dem Serben wohl etwas die Legitimationsbasis gefehlt. Doch die Zweifel sind nun komplett ausgeräumt, Djokovic hat bewiesen, dass er dieses Jahr schlicht und einfach der Beste ist – und zwar egal wo und gegen wen.

Wie kam es dazu? Letztes Jahr um diese Zeit, als Djokovic gerade glatt gegen Berdych im Halbfinale rausflog und zuvor bei den Australian und French Open nicht über die Runde der letzten 8 kam, hätte kaum jemand eine solche Entwicklung für möglich gehalten. Er war der Spieler (mit Andy Murray), der hinter den großen Stars Federer und Nadal stand, der Spieler, der zwar ein hohes Potential hat, was er auch 2008 bei seinem ersten Titel in Melbourne, es aber nicht komplett abrufen konnte (im Prinzip erinnert seine Situation damals sehr an die von Andy Murray von heute). Wie kommt es also, dass aus einem Herausforderer ein umjubelter Champion wird? So einfach lässt sich dies natürlich nicht beantworten, aber einige Gründe, die diese Entwicklung ermöglichten, kann man nennen.

Tennis ist wie viele andere Sportarten auch ein „Kopfsport“. Du kannst die beste Vorhand haben, den besten Aufschlag, unheimlich schnell sein und eine Pferdelunge haben – und dennoch nichts gewinnen, wenn du nicht den nötigen Biss und Willen hast, von guten Nerven ganz zu schweigen. Dies hat sich bei Djokovic 2011 gewandelt, dieses Jahr ist er es, der in den wichtigen Momenten eiskalt bleibt, der nie aufgibt. Gegen Nadal lag er in Indian Wells und Miami zurück, er drehte das Match. Gegen Murray in Rom schien er körperlich nicht mehr in der Lage zu sein zurückzuschlagen, aber er gewann dennoch. Und nur einen Tag später siegte er nach diesen Marathonmatch im Finale.

2 Turniere 2010 kann man als Wendepunkt sehen. Zum einen die US Open, und dort vor allem der Sieg gegen Roger Federer im Halbfinale. Der Schweizer war vor diesem Match so etwas wie der Angstgegner des Serben, vor allem in New York. Drei Jahre in Folge verlor er gegen Federer, aber in diesem Jahr errang er in einem dramatischen Match den Sieg. Imposant wie er Matchbälle im 5. Satz abwehrte. Auch wenn er das Finale gegen Nadal verlor, war dies ein ganz wichtiger Sieg. Der 2. Wendepunkt war der Erfolg beim Davis Cup Finale, der große Euphorie und Feiern in Serbien auslöste. Djokovic selbst sagte, dass ihn dieser Erfolg wahnsinnig motivierte.

Man muss auch anerkennen, dass es Djokovic nicht leicht hat, in einer Era, die von den omnipräsenten Nadal und Federer geprägt ist, zu spielen. Härtere Konkurrenz kann man sich kaum vorstellen. Aber die eben genannten Erfolge stärkten seinen Glauben sich gegen diese durchzusetzen:
„Beide gehören definitiv zu den 2 der 5 besten Spieler aller Zeiten. Aber sie halfen mir mich zu verbessern, sie machten aus mir einen besseren Spieler. Denn ich spielte so viele Matches gegen Federer und Nadal, vor allem bein großen Turnieren, in großen Matches und großen Plätzen. Ich verlor die meisten Duelle, aber nun hat es sich gedreht, weil ich anfing daran zu glauben, dass ich gewinnen kann.“
Nun kann man auch behaupten, dass Nadal nicht die Stärke des letzten Jahres hat oder Federer die aus seinen besten Jahren. Aber man kann auch immer nur so gut spielen wie die Konkurrenz es zulässt. Wie auch immer Djokovic’s Saisonstart war natürlich optimal, bei den Australian Open verlor er nur einen Satz und besiegte erneut Federer im Halbfinale. Er wurde die neue Nummer 2 der Welt und sein Selbstvertrauen stieg immer mehr an. Dieses Selbstvertrauen dürfte ebenfalls eines der Schlüsselelemente sein. Es ist ein positiver Kreislauf, jeder Sieg gibt mehr Selbstvertrauen, und das führt zu weiteren Erfolgen, weil man einfach überzeugt ist es schaffen zu können. Federer meinte dazu mal:
“Er hat nun mehr Selbstvertrauen, das ist klar. Manchmal, wenn es windig war oder er sich nicht gut fühlte, kämpfte er nicht genug dagegen an. Aber jetzt durch seine Serie gewinnt er einfacher als zuvor. Aber er bleibt derselbe Spieler. Er hatte knappe Matches, dier er hätte verlieren können, tat er aber nicht … Ich denke nicht, dass er ein anderer Spieler geworden ist. Er spielte schon immer gut.“
Ein anderer Spieler mag er mit Sicherheit nicht sein, aber das sich sein Spiel weiterentwickelt hat, kann man kaum bestreiten. Seine vielleicht größte Stärke ist mittlerweile, dass man in seinem Spiel kaum Schwächen finden kann, weil er ein kompletter Spieler auf hohen Niveau geworden ist. Sein Aufschlag hat sich verbessert, waren bei ihm in den letztem Jahrem Doppelfehler die Regel, bringt ihm dieser nun einige freie Punkte. Von der Grundlinie ist er auf beiden Seiten gleichstark. Während früher vor allem seine Rückhand eine Waffe war, kann er nun von beiden Seiten auf einem hohen Level verteidigen und angreifen.

Extrem stark ist seine Physis gewordem. In der Vergangenheit bereiteten ihn Atemprobleme oder Hitze öfter Probleme, das ist nun vorbei. Einiges wurde über eine Diät erzählt, die er sich unterzog. Auf jeden Fall ist er physisch nun in der Liga von Nadal, der in diesem Bereich Jahre lang eine Ausnahmestellung hatte. Djokovic hat heute eine ähnliche Ausdauer, und seine Beinarbeit ist famos. Das macht ihm neben dem Spanier zum aktuell stärksten Verteidiger auf der Tour. Vor allem kombiniert er es mit einem guten Offensivspiel. Er versucht den Gegner, wenn sich die Gelegenheit ergibt immer mehr unter Druck zu setzen, ohne zu hohes Risiko einzugehen oder direkt zu versuchen Winner zu schlagen, was zu langen Rallies führen kann (das unterscheidet ihn auch von Federer z.B., der schneller auf direkte Punkte geht).

Dieser Spielstil (das bezieht sich nicht auf Schlagtechnik) erinnert an Nadal. Starke Grundlinienbälle mit der richtigen Länge und Tiefe, die den Gegner immer mehr zurückdrängen, kaum Fehler und eine bärenstarke Defensive sowie die besten Returns im Herrentennis – diese Dinge machen ihn im Moment zum besten Spieler der Welt. Wie bereits erwähnt ist es kaum möglich eine Schwäche auszumachen. Bei Federer und Nadal fällt die Rückhand zur Vorhand etwas ab, bei Murray ist es umgekehrt. Gegen Djokovic muss man dagegen immer mit einem starken Schlag rechnen, egal von wo.

Ein Meister der Variation (wie zum Beispiel ein Federer) ist er dagegen eher nicht. Den Slice setzt er eher selten ein, Netzangriffe und Volleys sind Seltenheit. Unterschätzen sollte man dagegen seine Stoppbälle nicht, vor allem auf Sand waren diese recht effektiv. Sein Stil beruht jedoch zum größten Teil auf Grundlinientennis, was ja auch sehr erfolgreich ist.

In Australian nahm seine Erfolgserie den Anfang, aber im Gegensatz zu 2008, als Nadal während der Sandplatzsaison das Zepter in die Hand nahm, währte diese nun bis heute. Da Federer nach den Australian Open etwas schwächelte (zumindest im Vergleich zu Nadal und Djokovic), war nun der Spanier der Hauptrivale des Serben. Im US Open verlor er gegen Nadal, der 2009 die Saison dominierte, im Finale – bei den Australian Open blieb im eine Revanche vergönnt, das Nadal auch verletzungsbedingt im Viertelfinale scheiterte. Die Bilanz sprach zu diesem Zeitpunkt klar für den damals noch Weltranglistenersten (16-7), und weder bei einem Grand Slam noch in einem Finale war Djokovic je gegen ihn erfolgreich.

Doch dieses Jahr wurde alles anders. Nach einem weiteren Sieg gegen Federer in Dubai und dem Titel dort, ging es nach Indian Wells und Miami. Es gab nicht viele Jahre, in denen Spieler beide Turniere am Stück gewinnen konnte – Federer schaffte es 2005 und 2006. Und nicht nur das gelang dem Serben, er schlug Federer in einem weiteren Halbfinale und zweimal Nadal im jeweiligen Finale, und das jeweils nach Satzrückstand, eine irre Leistung. Seine Siegesserie nahm mittlerweile monströse Formen an.

Nun hörte man jedoch immer gewisse Einschränkungen, die Sandplatzsaison stand vor der Tür und viele tippten darauf, dass Nadal auf seinen Lieblingsbelag die Serie des „Jokers“ beenden würde. Zu starl erschien der 5 malige French Open Sieger auf der roten Asche. Aber schon 2009 lieferten sich die beiden bei den „Sand Masters“ packende und knappe Duelle. In Erinnerung blieb vor allem das irre Madrid Halbfinale. Doch damals war Nadal immer einen Tick stärker, vor allem auch im mentalen Bereich.

Nach seinen 5. Titel in Belgrad bewies Djokovic, dass seine Spiel auch hervorragend auf Sand passt. Die absoluten Highlights waren 2 weitere Finalsiege gegen den „König des Sandes“, und das sogar ohne Satzverlust. Die Tendenz, die sich auf Hard Court zeigte, setzte sich hier fort. Djokovic schien den Schlüssel gefunden zu haben um Nadal zu knacken, und ein ähnlich unangenehmer Gegner für den Spanier zu werden, wie dieser für Federer ist.

Während Nadal’s Top Spin Vorhandbälle auf die Rückhand des Gegners der Horror für Federer’s einhändige Rückhand ist, kann Djokovic damit hervorragend um gehen. In den meisten Rallies konnte er Nadal Vorhand in „Cross Duellen“ ausstechen. Insgesamt mag es der Serbe lieber, wenn der Gegner mit mehr Spin spielt als mit flachen Bällen. Dazu gibt Nadal genau das, was Djokovic braucht, nämlich lange Grundlinienduelle, mit wenig Überraschungen für den Serben. Dank seiner gleichwertigen Physis und Defensivfähigkeiten (und dazu Vorteile im Umschalten von Defensive auf Offensive) kann Nadal ihn nicht wie die meisten Gegner auf Dauer zermürben. Djokovic muss auch nicht zu aggressiv spielen, weil er mit Nadal mitgehen kann, wodurch er Nadal wenig freie Punkte durch Fehler gibt. Somit entstehen lange Rallies, in denen der Serbe in den letzten Duellen meist die Oberhand behielt, auch weil es kaum einen Unterschied macht, ob er mit Vor- oder Rückhand spielt.

Nadal dagegen umläuft oft seine Rückhand, und lässt so seine Vorhandseite offen für Konter. Insgesamt kann zusammenfassen, dass Djokovic den physischen Vorteil Nadal’s neutralisiert hat, und dazu dieses Jahr einfach der bessere Spieler ist. Sogar als Favorit für die French Open wurde er gehandelt, doch dort kam der erste Rückschlag in Form einer Niederlage gegen einen stark aufspielenden Roger Federer. Gut, irgendwann musste jede Serie mal zu Ende gehen.
Nun kam also Wimbledon, auf dem heiligen Rasen gab es seit 2002 keinen anderen Sieger mehr als Nadal oder Federer. Und diese beiden standen nach ihren French Open Finale wieder ganz oben auf der Favoritenliste. Djokovic dagegen wurde nicht unbedingt zugetraut beide auf Rasen zu schlagen. Der Serbe war auf diesen Belag nicht zu Hause, im Gegensatz zu Hard Court oder auch Sand. Der Turnierverlauf lief gut für Djokovic, jedoch macht er weitesgehend keine überragenden Eindruck im Viertel- und Halbfinale. Die Meinungen zur Favoritenrolle gingen außereinander. Nadal wurde als leichter Favorit gesehen. Auf Rasen springen die Bälle flacher ab und sie nehmen Nadal’s Spin besser auf als Hard Court, Nachteile für den Serben. Im Finale bewies der Serbe jedoch, dass er nun auf allen Belägen Titel gewinnen kann, und spielte sein bestes Rasenmatch in seiner Karriere.

Mit dem Sieg in Wimbledon gingen 2 Träume für den Serben in Erfüllung: Den Sieg beim wichtigsten Turnier der Welt und die Position als neue Nummer 1 (die 25. in der Geschichte des Herrentennis).
„Es ist eine fantastische Leistung die Spitzenpostition zu besetzen, vor allem mit Gegner wie Rafa und Roger. Man kann nicht beschreibern wie gut sie sind, aber ich glaubte immer daran eines Tages Nummer 1 zu werden. Beides, der Glaube und die harte Arbeit, brachten mich dorthin. Ich hatte immer noch nicht genug Zeit den Erfolg zu realisieren. Ich denke, in den nächsten Tagen werde ich merken wie große er ist. Ich werde mit den Leuten in Serbien feiern. Für mich ist es einfach unglaublich, ich lebe meinen Traum. Ich bin sehr stolz, dass die Leute in meinem Land den Erfolg mit mir teilen.“
Der Höhepunkt seiner Karriere, aber wie geht es weiter. Djokovic selbst hat erwähnt, dass er noch lange nicht „satt“ ist, und weitere Erfolge erreichen will:
„Ich habe die 2 größten Ziele hier in Wimbledon erreicht, aber ich werde wieder kommen um mehr zu gewinnen. Ich will mehr Grand Slam Titel, die US Open, nächstes Jahr die French Open und eine olympische Medaille. Es gibt noch viel zu tuen.“
Kann man dies also nun als Startschuß für eine neue Era sehen, dominiert vom 24 jährigen Serben? Eher nicht, zum mindest, wenn man es mit der Zeit Federer’s oder auch Nadal vergleicht. Die Konkurrenz ist immer noch da, und wird zurückschlagen wollen.
„Die Rivalität ist immer noch da. Sie (Nadal und Federer) sind immer noch die 2 dominandesten Spieler, die es gibt. Federer spielt immer noch klasse, er zeigte es bei den French Open und ich bin sicher, dass er wieder Majors gewinnen wird. Dann haben wir Nadal, der an der Spitze seiner Form ist, und Murray, der wie ich finde in den letzten 3 Monaten ein ernsthafter Rivale um Grand Slam Titel war. Im Moment, im Gegensatz zu vor 5 Jahren, gibt es mehr Spieler, die Majors gewinnen können und für die Spitzenplätze in Betracht kommen. Es ist gut für den Sport neue Gesichter zu haben. Es macht ihn interresanter.“
In der aktuellen Form allerdings kann Djokovic bei den US Open Series großen Schaden anrichten, übertragen gesprochen. Bei den US Open war er schon seit Jahren immer knapp dran. 2 Finals und 2 Halbfinals sprechen für sich. Nadal liegen diese beläge nicht so sehr wie Sand oder Rasen, aber er hat immerhin letztes Jahr in New York gewonnen. Federer ist mit einem guten Lauf als 5 maliger US Open Champion immer gefährlich. Und Murray sollte man auch nicht vergessen, wenn er einen frühes Aus wie in den letzten 2 Jahren vermeiden kann. Dazu wird wohl Juan Martin Del Potro, wenn es seine Fitness zulässt, wieder zurückkommen. Nicht umsonst gewann er 2009 dort, und seine Form wird seit Jahresbeginn immer besser.

Es ist stark davon auszugehen, dass Djokovic bis Ende des Jahres Nummer 1 bleiben wird. Danach wird jedoch unheimlich viel zu verteidigen haben – und die Kontrahenten werden lauern. In den nächsten Jahren werden auch vielleicht einige der jüngeren Spieler (Tomic erreichte mit 18 hier das Viertelfinale!) den Druchbruch schaffen. Wie sagt man, Nummer 1 werden ist schwer, es zu bleiben ist noch härter. Aber im Moment dürfte, dass Djokovic zurecht nicht interresieren. Im Moment ist er der beste der Welt.

Keine Kommentare: