Donnerstag, 25. August 2011

US Open: Vorschau

Von: Christian

Diese Woche wird zwar noch in Winston-Salem Tennis gespielt, doch da bei diesem Turnier die "First class" des Tennis nicht vertreten ist, kann man sich nun schon Gedanken machen, wer zu den Favoriten beim 4. Grand Slam des Jahres gehört. Nun muss man jedoch auch dazusagen, dass sich solche Prognosen schnell als falsch erweisen können. Nicht selten bekommt ein Majorturnier ein ganz eigene Dynamik, mit was die meisten vorher nicht gerechnet haben. Nichtdestotrotz ist hier meine Favoritenliste:

Favoriten
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1) Novak Djokovic

Hätte es bei Novak Djokovic die verletzungsbedingten Aufgabe wegen eine Schulterverletzung nicht gegeben, wäre es aktuell der uneingschränkte Topfavorit. Warum? Ein Blick auf seine Saisonbilanz sagt eigentlich alles. Nicht mal Federer reiste in seinen besten Jahren nur mit 2 Niederlagen nach New York. Djokovic gewann fast alles schlug Nadal fünfmal in Finals, Federer dazu dreimal. Sogar in Wimbledon triumphierte der Serbe, obwohl Rasen eigentlich sein schwächster Belag ist. Nun wird wieder auf Hard Court gespielt, und die US Open liegen Djokovic. In den letzten 5 Jahren stand er unter den besten 4, darunter 2 Finals. Das einzige Fragezeichen steht hinter der Verfassung seiner Schulter. Im Finale in Cincinnati lief nichts für Djokovic aufgrund seiner Verletzung. Hat der Serbe sich möglichweise überspielt? Djokovic ist guter Dinge, dass er fit sein wird. Im Sinne des Tennissport hoffen wir, dass der beste Spieler der Welt topfit sein wird. Dann wird es schwer ihn aufzuhalten.

2 + 3) Rafael Nadal & Roger Federer

Einfach gesagt ähneln sich die Situation von Nadal und Federer. Normalerweise gehören beide ohne Frage zu den Topfavoriten, aber ihre Form stimmte zuletzt nicht - keiner der beiden konnte bei den zurückliegenden Masters um den Titel mitspielen. Bei Federer setzt sich der Trend fort, dass er an schwächeren Tagen (die er mit Anfang 30 nunmal häufiger hat als in den Jahren zuvor) gegen immer mehr Spieler verlieren kann. Neben Nadal und Djokovic gehören dazu auch gefährliche Spieler wie Berdych, Tsonga, Söderling oder Del Potro dazu - Murray natürlich auch (wobei hier Grand Slam wieder eine andere Sache sind). Nadal spielte bisher ein sehr gutes Jahr, Djokovic war nur einfach zu gut - die Niederlage in Wimbledon scheint dem Spanier aber etwas getroffen zu haben. In Montreal und Cincinnati war noch nichts von der Form zu sehen, die ihm zum US Open Champion machte. Ein aufopferungsvoll kämpfender Dodig und der starke Fish waren die Endstationen. Nun gibt es aber auch eine interessante Statistik, in den letzten 3 Jahren hat kein US Open Sieger eines der Masters gewonnen. Also diese Turniere sollte man nicht zu sehr als Gradmesser nehmen. Federer war 2008 in einem ähnlichen Tief wie Nadal jetzt, er gewann dennoch. Nadal hatte dieses Jahr schon in Runde 1 von RG Probleme gegen John Isner, er gewann dennoch. Im Laufe eines Turniers kann ein Lauf entstehen, und das Selbstvetrauen steigt mit jedem Sieg weiter. Also trotz schlechter Form sind sie nach Djokovic die ersten Kandidaten, vor allem bei der Erfahrung, die sie bei Grand Slam Turnieren haben. Federer hat vielleicht noch einen kleiner Vorteil, weil ihm die Beläge in New York mehr zusagen, als Nadal und, weil der Spanier von seiner Spieilweise her mehr Probleme mit Djokovic hat.

4) Andy Murray

Zum scheinbar hundersten Mal hat man das Gefühl: Jetzt müsste es doch mal klappen mit einem Grand Slam für Murray. Das Potential hat der Brite ohne Frage, doch er muss ein paar Probleme lösen, wenn er einen solchen Titel gewinnen will. Und das hat am meisten mit mentalen Angelegenheiten zu tuen. Murray braucht eine aggressivere Grundeinstellung, vor allem in wichtigen Spielen. Die meisten Gegner auf der Tour kann er alleine durch seine starke Defensive, seine Konstanz und Variation besiegen. Aber in ganz großen Matches braucht es mehr, er muss das Spiel an sich reißen. Oft hört man seine Vorhand sei nicht stark genug. Generell würde ich das nicht sagen, man denke an den ersten Satz in Wimbledon gegen Nadal gelangen ihm viele Vorhandwinner. Doch zu oft fängt er irgendwann an die Bälle nur noch zurückzubringen, das reicht, wenn der Gegner nicht in Topform ist, wie Djokovic in Cincinnati (Schulter), aber es reicht nicht um die großen 3 bei Grand Slam zu besiegen. Oft kommt noch hinzu, dass er in wichtigen Spielen einfach nicht sein bestes Tennis spielt, so gesehen in Melbourne und in Wimbledon nach Satz 1 gegen Nadal. Dabei hat er das Potential um den entgültigen Durchbruch zu schaffen. In Rom drehte er fast sein Match gegen Djokovic, er spielte fantastisch in Satz 1 gegen Nadal in London. Er kann aggressiv spielen und seinen Gegner unter Druck setzen, er hat die Athletik und Konstanz um es mit den Topleuten von der Grundlinie aus aufzunehmen, dazu einen guten Aufschlag, gutes Netzspiel. Er braucht nur diese besondere Einstellung um den letzten Schritt zu machen. Der Sieg in Cincinnati hat keine riesige Aussagekraft, aber gibt Selbstvertrauen, Nadal und Federer nicht in Topform, Djokovic hat evtl. Probleme mit der Schulter - die Chancen sind da. Nur fraglich, ob er sie diesmal nutzen kann.

5) Jo-Wilfried Tsonga

Der Übergang von Favoriten zu Außenseiter mit Chancen ist zumeist fließend. Seit Del Potro 2009 hat keine Spieler außerhalb der Top 3 ein Grand Slam gewonnen, und auch diesmal ist es nicht sehr wahrscheinlich. Djokovic, Nadal, Federer, dazu Murray - die üblichen Verdächtigen sind bei der Favoritenfrage immer dabei. Dahinter würde ich als Erstes Tsonga nennen (quasi "the best of the rest"). Der Franzose hat seit den Beginn der Rasensaison ein großartige Form, erreichte in Wimbledon das Halbfinale, und schlug wie später in Montreal Federer. In Cincinnati folgte zwar ein früheres Aus, aber das muss in Hinblick auf die US Open nicht negativ sein. Warum ich Tsonga direkt nach der Top 4 nenne? Zum einen, weil er schon gezeigt hat, dass er bei Grand Slam weit kommen kann (1 Final, 2 Halbfinals) und vor allem, weil er schon Nadal, Federer und Djokovic bei einem Majorturnier geschlagen hat. Tsonga hat für schnell Beläge eine sehr gefährliche Spielweise. Fantastischer Aufschlag, dazu in Kombination mit seiner druckvollen Vorhand und guten Volleys - an guten Tagen kann er seine Gegner geradezu überrollen. Das tat er 2008 gegen Nadal in Melbourne (der derzeit nicht in Topform ist), Federer konnte bei dem Aufschlag des Franzosen nach 2-0 Satzführung in Wimbledon keinen Stich mehr setzen, auch Murray kann gegen einen solchen Spielertyp, wenn er zu passiv wird Probleme bekommen und auch Djokovic wird nicht für immer übermächtig so weiterspielen (dazu die leichte Schulterverletzung). Also, wenn es einen Überraschungssieger gibt - und die Top 4 womöglich schwächelt, sodass Tsonga evtl. nur einen aus dem Weg räumen muss - kann es Tsonga sein. Allerdings würde die Chancen darauf nicht zu hoch bewerten. Wenn Tsonga's Spielweise nicht funktioniert, er zu viele Fehler macht, ist er schnell weg vom Fenster. Und wenn die Top 4 nicht schwächelt, ist es fast unmöglich sich bis zum Titel durchzukämpfen.

6) Mardy Fish

Wenn man eine Rangliste für die Zeit nach Wimbledon erstellen würde, wäre Mardy Fish derzeit die Nummer 2. Der US Amerikaner hat derzeit die Form seines Lebens, siegte in Atlanta, erreichte die Finals von LA und vor allem Montreal, und schlug Nadal in Cincinnati, wobei er erst im Halbfinale gegen Murray verlor. Seine große Stärke ist sein Aufschlag, der zuletzt sehr konstant kommt, dazu ist er ein exzellenter Volleyspieler. Und er ist im Vergleich zu früheren Jahren schnelle und athletischer, er hält von der Grundlinie sehr gut mit, vor allem seine Rückhand ist stark. Warum steht dann Tsonga vor ihn? Fish hat seit Wimbledon mehr erreicht als der Franzose. Zum einen hat er sich bei Grand Slams mehr ausgezeichnet als Fish (3 Viertelfinals), zum anderen hat er neben seinen Aufschlag mit seiner gewaltigen Vorhand eine weitere gefährliche Waffe im Gepäck. Fish hat sehr solide Grundschläge, kann gut verteidigen und auch Druck machen, aber er hat nicht die Feuerkraft von Tsonga. Fish könnte eine Überraschungssieger werden bei einem Turnierverlauf, bei dem die Top 4 sehr straucheln - aber ansonsten kann ich mir einen Sieg nicht vorstellen. Als Nummer 8 sollte er es ins Viertelfinale schaffen können, auch Halbfinale wäre drin. Mehr aber am Ende nicht.


Fazit

Djokovic wäre also der Topfavorit (Fragezeichen nur hinter seiner Schulter), Nadal und Federer könnten von einer Schwäche profitieren oder auch so gefährlich werden, wenn sie einen Lauf währden des Turniers bekommen. Überwindet Murray seine mentale Blockade, die bisher oft hatte, könnte er der lachende Vierte werden. Tsonga und Fish sind in der Lauerstellung, wobei Tsonga wahrscheinlich die größere Gefahr ist, wenn er in Topform ist. Das Ganze sähe dann etwa so aus:

Djokovic
..............
Federer / Nadal
Murray
..............
..............
Tsonga
Fish


Wer fehlt
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Wer fehlt hier in der Aufzählung, den man vielleicht erwartet hätte. Zum einen wäre da Juan Martin Del Potro, immerhin ein ehemaliger Sieger. Konnte er mit seinem Comeback bisher sehr zufrieden sein, ließ nun seine Form nach Wimbledon leider nach. Werder in LA, Montreal oder Cincinnati konnte er wirklich auftrumpfen. Ein anderer ehemaliger Sieger hat noch mehr Probleme, für Andy Roddick ist es kein gutes Jahr bisher, schon das Erreichen der zweiten Woche ist nicht ohne. Dann haben wir noch Robin Söderling, der Schwede verlor seinen Rang 5. Aufgrund von Verletzungen kam er seit dem Frühjahr nie wirklich ins Rollen, er konnte kein Master vor den US Open spielen. David Ferrer musste Montreak absagen, auch deswegen fehlt ihm derzeit die Form. Zumal seine Spielweise nicht optimal zu den Belag in New York passt, sollte man nicht zuviel von ihm erwarten hier. Tomas Berdych schlug Federer in Cincinnati, wenn er so in den nächsten 2 Wochen spielt, kann er sehr gefährlich sein - in letzter Zeit konnte er dies allerdings zu selten unter Beweise stellen (konstante Ergebnisse hat er, aber zu wenig Ausrufezeichen). Gael Monfils überzeugte bisher in Nordamerika, aber gegen die Top 4 wird er wohl auch machtlos sein. Mikhail Youzhny kann froh sein, wenn er einen Teil der Punkte des letzten Jahres (Halbfinale) verteidigen kann.

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